Ein neuer Tag erwacht und die Sonne blinzelt durch die klassischen Holzjalousien des Motels. Perfektes Wetter für die Fortsetzung des Roadtrips auf dem Highway 1 gen Süden.

Wir packen die Sachen zusammen, schnappen uns den Autoschlüssel und verlassen das Motel in Monterey. Schon wie einen Tag zuvor ist es zwar sonnig, aber relativ frisch. Mit dem Mietwagen fahren wir gemächlich durch das ruhige und waldähliche Wohngebiet in Monterey, die ansteigende Straße hinauf zum Highway. Zusätzlich zum Toyota haben wir für drei Tage noch ein Chevrolet Camaro Convertible gemietet. Mit dem Cabrio kann der Roadtrip nun also stilecht beginnen.

Schon nach wenigen Meilen außerhalb des Ortes der erste Halt – zwischen Nebelschwaden und Sonnenstrahlen drängt sich wieder der leicht aufgewühlte Pazifik hervor. Bäume versperren die Sicht ein wenig, doch es ist schnell klar: die Natur zeigt hier wieder, wie schön sie sein kann. Während wir oben auf einem kleinen Parkplatz stehen, klatschen unten die Wellen an die Felsen. Ein paar Meilen weiter sieht es genauso aus, nur dass die Klippen nicht mehr ganz so hoch über dem Pazifik sind und ein Pfad durch das zerklüftete Gebiet führt. Was mir hier am Highway 1 auffällt: an allen tollen Aussichtspunkten finden sich Parkmöglichkeiten, unabhängig davon, ob sie vielbesucht sind oder nur gelegentlich angesteuert werden. So ist ein gefahrloses Anhalten und Aussteigen möglich, ohne dass man den Verkehr behindert.

Faszinierende Natur südlich von Monterey

Faszinierende Natur südlich von Monterey

Zerklüftete Felsen

Chevrolet Camaro Convertible auf dem Highway 1

Chevrolet Camaro Convertible auf dem Highway 1

Highway 1

Highway 1

Nach ungefähr 20 Meilen erreichen wir die erste “richtige” Sehenswürdigkeit – die Bixby Creek Bridge, eine 218 Meter lange Brücke, die den gleichnamigen Einschnitt überspannt. Leider legt auch der Nebel wieder sein trübes Kleid über die Küste und verhindert damit weitreichende Blicke über die Steilküste. Nur ab und an zeigt sich der Strand, der an dieser Stelle ungefähr 80 Meter tiefer liegt. Hinweisschilder warnen vor den Klippen – sie sollte man ernst nehmen, denn Absperrungen gibt es bis auf einige Felsbrocken keine.

Neben uns vernehmen wir ein langgezogenes “How cuuuute…!” und entdecken schnell den Grund hierfür. Ein kleines Grauhörnchen hat sich zu uns und den anderen gesellt und begeistert mit seinem niedlichen Aussehen die Umstehenden. Auch an anderen Stellen in Kalifornien haben wir die zutraulichen Hörnchen schon entdeckt, am Highway 1 jedoch bislang nur hier.

Der bisherige Streckenabschnitt war geprägt von zerklüfteten Felsen, von Nebel und zahlreichen Kurven. Doch es geht auch anders. Nach wenigen Kilometern wandelt sich das Bild etwas. Die Landschaft wird offener, einzelne Wiesen und Felder erscheinen. Es ist fast so, als würde die Natur explodieren und sich gegen die kargen und grauen Steine zur Wehr setzen. Zeitgleich steigen auch die Außentemperaturen an. Wir nutzen die Chance und fahren rechts ran – Zeit, das Verdeck zu verstauen und von nun an stilecht mit dem Cabrio über den Pacific Coast Highway 1 zu cruisen.

Big Sur wird oftmals als der schönste Teil der Route bezeichnet. Tiefblaues Meer, das an die Buchten des Mittelmeeres erinnert, dazu die Ausblicke von den schroffen Gipfeln über den Pazifik bis hin zum Horizont. Unbeschreiblich, wie faszinierend die Natur die Landschaft hier geschaffen hat. Ich kann gar nicht anders, als an fast jedem Aussichtspunkt anzuhalten, auszusteigen und den Blick über die weite Welt schweifen zu lassen.

Gemeinsam stehen wir am Aussichtspunkt und blicken hinaus aufs Meer. Diese Ruhe, die nur vom entfernten Rauschen der Wellen und von vorbeifahrenden Fahrzuegen unterbrochen wird, ist himmlisch. Natur pur. Wir können verstehen, warum dieser Streckenabschnitt der beliebteste ist.

Leider war die Strecke zum Zeitpunkt unseres Besuchs nicht komplett befahrbar. Nach einem riesigen Erdrutsch im Mai 2017 zwischen Gorda und Rugged Point haben die Aufräumarbeiten im Juni 2018 noch immer angedauert. Seit Juli 2018 ist die Strecke aber wieder durchgängig befahrbar. Auf der einen Seite ist das für uns schade gewesen, allerdings war damit die Route auch so gut wie vorgegeben und wir müssten uns nicht entscheiden, wie weit wir an diesem Tag fahren wollten.

Unser persönliches Highlight liegt nun bald vor uns – die McWay Falls. Obwohl der Weg bis hierhin schon ein Traum war, so ist hier scheinbar das Paradies auf Erden. Vom Aussichtspunkt blickt man in eine Bucht hinein, an deren Sandstrand aus über 20 Metern Höhe ein Wasserfall in die Tiefe fällt. Ein unglaublich schönes Bild, das sich hier wirklich und in voller Realität vor uns zeigt. Bis hinunter an den Strand kommt man allerdings nicht, denn er gehört mit zu einem Unterwasser-Naturschutzgebiet hier vor der Küste und das Betreten ist verboten.

McWay Fall

McWay Fall

Paradiesischer Ausblick

An den McWay Falls mit Blick Richtung Norden

An den McWay Falls mit Blick Richtung Norden

Von der malerischen Schönheit beeindruckt setzen wir unsere Reise fort. Vom Beifahrersitz aus lasse ich mir den Fahrtwind um die Nase wehen und blicke über den schmalen Straßenrand hinab zum herrlich blauen Pazifik. Es ist ein tolles Gefühl, oben ohne und mit dieser einmaligen Szenerie vor Augen über den Highway zu cruisen. Freiheit pur. Der Himmel scheint ohne das sonst so begrenzende Dach zum Greifen nahe zu sein.

Kurve um Kurve fahren wir Richtung Süden, immer der Sonne und der Straßensperrung entgegen. Im Jahre 1938 wurde auf dieser Route mit der Big Creek Bridge eine weitere große Brücke fertiggestellt. Mit ihren 180 Metern Länge ist sie kürzer als ihre ältere Schwester, wirkt aber vom Big Creek Cove Vista Point nicht weniger spektakulär.

All der Schönheit der Küste, den Aussichten und der Strecke zum Trotz: so langsam wird es Zeit, den Rückweg anzutreten. Gute 60 Meilen haben wir nun bis zu diesem kleinen Schotterparkplatz zurückgelegt, an dem wir den Rückweg antreten werden. Ich vertrete mir kurz die Beine und schaue über die Parkplatzbegrenzung. Vor mir liegt eine zerklüftete und steinige Bucht. Kurz vor der Brandungszone kann ich zwei Surfer im Wasser des Pazifiks erkennen. “Respekt”, denke ich mir noch und beobachte sie noch einen Moment, bevor ich wieder zurück Richtung Camaro laufe und wir den Weg zurück ins Motel antreten. Auf dem Rückweg genießen wir einfach nur die Landschaft. Kurve um Kurve geht es oben ohne wieder Richtung Norden, zurück nach Monterey.

In Big Sur tauschen wir wieder die Plätze und schließen das Verdeck – auch, wenn das Wetter weiterhin sonnig und – zumindest hier – mit akzeptablen Temperaturen aufwartet. Doch der Sonnenschein hat zugleich für einen dezenten Sonnenbrand gesorgt, der allmählich mit leichten Schmerzen von gespannter Haut auf sich aufmerksam macht. Anfängerfehler im Cabrio eben: keine Sonnencreme oder Kopfbedeckung benutzen.

Irgendwann am späten Nachmittag stellen wir den Camaro schließlich wieder auf dem Motelparkplatz ab. Insgeheim bin ich froh, mich gleich ein paar Minuten aufs Bett zu legen und etwas zu entspannen. Trotz aller faszinierenden Ausblicke, erinnerungswürdigen Erlebnissen und einer traumhaften Route war es zugleich auch anstrengend.

Die Pause haben wir uns nun wirklich verdient, denn am nächsten (und letzten) Tag in Monterey steht die Fahrt über den sehenswerten 17-Mile-Drive auf dem Programm. Bis dahin werden wir uns noch ein bisschen erholen – und vor allem die Eindrücke des Tages nochmal Revue passieren lassen.

I want to feel sunlight on my face
I see that dust cloud disappear without a trace

U2 – “Where the streets have no name”