Sicherlich sind die gigantischen Mammutbäume die ungeschlagene Sehenswürdigkeit und auch das Hauptziel bei einem Besuch im Sequoia Nationalpark. Dabei gibt es hier noch ganz andere Fleckchen, die sehenswert sind.

Wie unberührt und wild die Natur hier ist, das erfahren wir ziemlich schnell: im Foothills Visitor Center erhält man nicht nur Informationen über die Flora und Fauna des Nationalparks, sondern auch über Verhaltensweisen gegenüber der wilden Tiere. Denn eines darf man nicht vergessen: hier sind wir Menschen nur Gäste. Die eigentlichen Bewohner und Herrscher über den Wald sind nicht nur die überall vertretenen Erd- und Baumhörnchen. Auch Kojoten, Bären und Hirsche gehören zu den hier heimischen Tierarten.

Alleine schon die Fahrt über den Generals Highway ist ein Erlebnis. Mit dem Mietwagen geht es quer durch nahezu unberührte Natur und vorbei an unzähligen Bäumen jeglicher Größe. Doch seit dem ersten Zwischenstopp im Besucherzentrum sind wir auch mit etwas Respekt unterwegs, denn die Informationen über die Tiere hier im Nationalpark gehen uns nicht mehr aus dem Kopf. Mittlerweile fallen uns daher auch an jedem Parkplatz die Container auf, in denen man seine Lebensmittel und andere geruchsintensive Gegenstände packen sollte. Andernfalls läuft man Gefahr, dass sich die Bären auf der Suche nach Nahrung am Fahrzeug vergreifen und dabei einen hohen Schaden anrichten.

Amphitheater Point Viewpoint

Generals Highway

Über den Wipfeln

Ein Ziel haben uns nicht gesetzt. Wir folgen einfach dem Generals Highway und lassen uns treiben. Dort, wo es uns gefällt, halten wir an. Aber auch die Strecke ist sehenswert. Immer wieder erhaschen wir Blicke über die Weite des Parks, der sich gefühlt bis zum Horizont erstreckt. Bei angenehmen Temperaturen und dem Duft nach frischer Natur – so frisch, wie ich ihn selten erlebt habe – sind die Momente sehr intensiv. Kein Vergleich zu den Wäldern daheim. Ob es nur an der anderen Straßengestaltung liegt? Oder doch eher an den Mammutbäumen, die im Verlauf der Strecke wieder am Rand erscheinen und das Gefühl vom Vortag wieder aufleben lassen?

Wir wissen es nicht.

Quer durch die Natur

Entlang des Highways verstecken sich immer wieder kleine Abfahrten, die zu Campingplätzen oder auch romantisch gelegenen Lodges führen. Manchmal lohnt es sich, die Hauptstraße zu verlassen und zu schauen, wo der Weg hinführt. Einer dieser Wege führt zum Beispiel zur Wuksachi Lodge, die inmitten eines kleinen Paradieses zu liegen scheint. Rundherum Bäume, im Hintergrund die kargen Gipfel – perfekt für eine Wanderung durch die fast unberührte Natur.

An einer anderen Stelle im Sequoia Nationalpark liegt dagegen die Montecito Sequoia Lodge. Idyllisch an einem kleinen See mit glasklarem Wasser, mitten im Grünen. Während eine Schulklasse hier ihre Ferien verbringt und mit Kajaks auf dem See umherpaddelt, schlendern wir das Ufer entlang und blicken immer wieder in das klare Wasser. Nicht nur Fische sind hier beheimatet und so entdecken wir später auch den ersten Frosch, der quakend im kühlen Nass sitzt.

Bekanntermaßen macht Wandern auch hungrig. So verwundert es kaum, dass sich in den Wäldern kleine Picknickstellen mit Sitz- und Grillgelegenheiten finden. Einer dieser mitten im Grünen liegenden Stellen ist die Lodgepole Picnic Area in unmittelbarer Nähe zum Marble Fork Kaweah River. Dieser hat seinen Ursprung auf fast 4.000 Metern und wird in erster Linie von der Schneeschmelze der Sierra Nevada gespeist.

Wuksachi Lodge

Gegessen haben wir am Picknickplatz jedoch nichts. Stattdessen haben wir dafür einfach die Ruhe genießen können. Gelegentlich ist eines der vorbeifahrenden Fahrzeuge zu hören, ansonsten sind nur die Naturgeräusche zu vernehmen. Neben uns rauscht der Fluss ins Tal hinab, an einem der zahlreichen Bäume hämmert ein Specht mit seinem Schnabel auf das harte Holz und irgendwo singt ein Vogel sein Liedchen. Natur pur. Ein tolles Fleckchen Erde, welches – im wahrsten Sinne des Wortes – ganz im Schatten der Mammutbäume steht.

Aufstieg zum Moro Rock

Weil sich der Tag allmählich seinem Ende zuneigt, steuern wir das letzte Ziel an – den Moro Rock. Vom Parkplatz an seinem Fuße sind es rund 400 Stufen, bis man schließlich 91 Meter höher auf dem „Gipfel“ steht und meilenweit über die Landschaft schauen kann. Insgesamt befindet man sich nun 2050 Meter über dem Meeresspiegel, mitten auf einer kahlen Bergkuppe aus Granit.

Die Belohnung für den Aufstieg, der sich dank der Stufen als nicht allzu anstrengend erweist, ist grandios. Schon auf dem Weg kann man seine Blicke über die Berge, Täler und Baumwipfel schweifen lassen. Dennoch sollte man sich trotz der Schönheit nicht allzu sehr vom Weg abbringen lassen. Das Geländer entlang der Treppe ist nicht sehr hoch und an manchen Stellen trennt nur ein schmaler Felsen den Aufstieg vom Abgrund.

Unser Antrieb auf dem Weg nach oben ist die Aussicht. Obwohl wir einen langen Tag in den Knochen haben, möchten wir ungern aufgeben. Zu nah liegt das Ziel und damit ein gelungener Tagesabschluss vor uns. Stufe um Stufe geht es höher, während sich die Sonne weiter dem Horizont entgegen schiebt.

Wie kleine Ameisen bewegen sich die Autos auf dem Generals Highway dem Tal entgegen. Als wir am Morgen den Weg in den Sequoia Nationalpark angetreten haben, haben wir von hier aus noch den Moro Rock bestaunt. Ziemlich markant hebt er sich von seiner Umgebung ab und zieht damit die Aufmerksamkeit auf sich.

Allerdings haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass wir gegen Tagesende von genau hier aus die Blicke schweifen lassen. So kann man sich täuschen – und während wir noch mit diesen Gedanken beschäftigt sind, befinden wir uns schließlich am Ziel. Ein leichter Wind umweht uns – nichts ist mehr hier, was sich ihm entgegensetzen kann. Selbst die großen Mammutbäume sehen von hier aus wie kleine Sträucher. In der Ferne sind die noch immer Schnee bedeckten Berge der Great Western Divide zu sehen. Einige von ihnen sind fast 4.000 Meter hoch und auch der höchste Berg der USA außerhalb von Alaska, der Mount Whitney mit seinen 4.421 Metern Höhe, befindet sich nur etwas weiter östlich von diesem Gebiet.

Allmählich werden die Schatten länger und das Tal versinkt langsam, aber sicher in der bald aufkommenden Dunkelheit der Nacht. Von der Aussicht beeindruckt verlassen wir den Moro Rock schließlich und lassen die 400 Stufen hinter uns. Auf dem Weg zum Auto entdecken wir auch endlich eines der wilden Tiere des Parks: zwei Rehe auf Nahrungssuche. Das soll für uns auch das Stichwort sein – mit tollen Erinnerungen an die einzigartige Natur treten wir die Rückfahrt ins Hotel an und verwandeln uns schließlich auch in eines der Fahrzeuge, welches wie das Mitglied einer Ameisenkolonie den Heimweg antritt.

Oh oh, my sweet Lord I’ll warn ya
Fall in love with an angel
You’ll end up in California

Kid Rock – Tennessee Mountain Top

Hinweisschild am Generals Highway