Die Straße endet abrupt. Wie aus dem Nichts.
Die alte Geisterstadt scheint ihrem Namen gerecht zu werden.

Vor uns liegen nun noch gute fünf Kilometer feinster Schotterpiste. Zahlreiche Schlaglöcher sorgen dafür, dass der letzte Teil der Strecke nicht langweilig wird. Am Horizont sind die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada zu sehen, als vor uns dann schließlich die ersten Häuser der Geisterstadt Bodie auftauchen. Nach der Anreise via Gegenwart und über den Tioga Pass kann nun die Reise in die Vergangenheit beginnen.

Spaziergang durch Bodie

Vom Parkplatz aus sind es nun nur noch ein paar Schritte bis in die Vergangenheit. Einzig die anderen Besucher sowie vereinzelte Kondensstreifen am blauen Himmel erinnern an heute. Wie muss es wohl damals gewesen sein?

Die trockene und staubige Green Street vermittelt einen passenden Eindruck der damaligen Zeit. Zwischen den Büschen am Wegesrand finden sich immer wieder vergessene Dinge. Verrostete Schrauben, alte Dosen, Auto- und Maschinenteile – Rost ist ein ständiger Begleiter auf diesem Spaziergang. Es fällt schwer zu glauben, dass man die Stadt einfach aufgegeben hat. Trotz all der Jahre haben die bestehenden Gebäude die Zeit erstaunlich gut überstanden – insgesamt sind es rund 170 Stück, unter ihnen nicht nur Wohnhäuser, sondern auch die alte Schule, eine Kirche und andere Geschäfte des täglichen Lebens.

Willkommen in der Geisterstadt Bodie!

Verfall und Erhalt auf einem Blick

Bodie mit der alten Mine (links)

Nicht nur wir hinterlassen hier und heute Spuren, auch bei uns hinterlässt die Zeitreise Spuren. Geschichte zum Anfassen, fast schon zum Miterleben. Was müssen die damaligen Bewohner wohl gefühlt, erlebt, verarbeitet haben? Haben sie sich damals denken können, wie es in ihrer Stadt gute 150 Jahre später aussieht?

Wahrscheinlich nicht. Jeder Besucher vermag sich seine eigene Geschichte zum Schicksal der Stadt machen. Ich für meinen Teil bin beeindruckt von den Überbleibseln. Es wirkt, als wären die Bewohner mehr oder weniger geflüchtet, nachdem die Goldvorkommen weniger geworden sind. Tische sind noch gedeckt, Autos stehen am Rande der Gebäude, die Tankstelle in der Ortsmitte scheint nur auf Kunden zu warten – doch niemand mehr wird kommen, um hier sein Fahrzeug zu tanken. Ob es an den Einschusslöchern auf dem Schild liegt, die von den wilden und gesetzlosen Jahren zeugen?

Nur einen Steinwurf entfernt steht ein Lieferwagen im Feld. Ein paar Kratzer hier und dort, doch ansonsten gut in Schuss. So jedenfalls wirkt es. Kaum vorstellbar, dass man damals solche Werte, für die man sicherlich lange arbeiten musste, einfach stehen lässt.

1937er Chevy Coupé – verlassen und verrostet

Tankstelle mit Einschusslöchern auf dem Schild

Ein paar Kratzer, aber sonst gut in Schuss

Auf den Wegen der Geisterstadt Bodie umweht einen ein ganz eigener Charme. Vom Drama der damaligen Zeit ist eigentlich kaum etwas zu spüren. Vielmehr wirkt es wie ein Museumsbesuch. Doch wenn man sich umsieht und die Häuser erblickt, die noch grob den damaligen Stadtgrundriss zeigen, wirkt es anders. Es wirkt realer als ein Museum. Hier wurde nichts auf irgendeine Weise drapiert (das kleine Museum in der Miners’ Union Hall ausgenommen). Nein, das, was sich vor unseren Augen zeigt, ist ein wirkliches Überbleibsel aus der Zeit des realen Wilden Westens. Mit all seinen Freuden, Geschichten und Dramen, die sich hier abgespielt haben.

In den Geschäften, dem Hotel und auf den Straßen sind nicht irgendwelche Gegenstände. Es sind echte Gegenstände, die immer noch im Originalzustand sind. Mit jedem Schritt, den wir den Berg bei der Mine hinaufgehen, entfernen wir uns weiter aus der Gegenwart. Wir nähern uns den Häusern und der Vergangenheit. Es fühlt sich fast so an, als würde man durch eine normale Wohngegend schlendern. Doch hinter den Fenstern spielt sich kein Leben mehr ab. Auf der Veranda wird niemand mehr darauf warten, dass das geliebte Familienmitglied von der Arbeit heimkommt. Auch in der alten Schule ist Ruhe eingekehrt. Nur noch die Schulbücher in den Klassenzimmern zeugen von ihrer Geschichte. Kein Kind wird hier jemals wieder in der Pause Ball oder Fangen spielen.

Standard Mill im oberen Teil von Bodie

Standard Mill im oberen Teil von Bodie

Alte Stromleitungen in der Stadt

Die Natur holt sich den Ort zurück

Besucher aus der heutigen Zeit an der alten Schule

Wenn die Stadt nur reden könnte – wer weiß, was sie alles für spannende Geschichten preisgeben würde. Einen Teil ihrer der Geheimnisse erfährt man im kleinen Museum, doch den größten Teil hat sie mit ins Grab genommen, als die letzten Bewohner verzogen sind. Dennoch: die Ranger des Bodie State Historic Parks tun vieles dafür, dass die Stadt am Rande der Sierra Nevada nicht vergessen wird und eine Zukunft hat.

Ein Besuch in der Geisterstadt lohnt sich wirklich. Egal ob man sich alleine auf Tour durch den Ort begibt oder an einer der gelegentlich angebotenen Führungen (dann auch mit Besuch des Minengeländes) teilnimmt. Hier, ganz weit draußen von der Gegenwart, gibt es an jeder Ecke, hinter jedem Haus, jedem Gebäude, jedem Strauch etwas zu entdecken.

So viel, dass es noch einen zweiten Post aus Bodie geben wird.

Blick vom Friedhof auf Bodie

Grabstein von Mary Elizabeth Butler


Geschichte der Stadt

Bodie hat seinen einstigen Höhepunkt längst hinter sich. Im Jahre 1859 entdeckte William S. Bodey in der Nähe Gold. Doch schon nach nur einem Jahr verstarb er während eines Schneesturms. Seine Familie hat sich nichtsdestotrotz unweit der Goldfundstelle niedergelassen. Sie gründeten Bodie und begannen mit dem Abbau des Edelmetalls. Mehr und mehr Goldgräber kamen in die Stadt. 1876 stieß die Betreiberfirma der Mine auf eine sehr ergiebige Goldader – der Aufstieg begann. Innerhalb weniger Jahre lebten 10.000 Einwohner in der Stadt. Damit verbunden war allerdings auch ein sprunghafter Anstieg der Kriminalität – Bodie galt während dieser Zeit als eine der wildesten und gesetzlosesten Städte im Wilden Westen.

Im Laufe der Jahre wurde kaum noch Gold gefunden und der Niedergang der Stadt hatte begonnen. Von den zahlreichen Gebäuden sind heute nur noch wenige erhalten. Grund waren mehrere Großbrände, der letzte im Jahre 1932. Wann genau die Stadt letztlich ihrem Schicksal überlassen wurde ist unklar. 1942 schloss zumindest das verbliebene Postamt. Seit 1962 ist die ehemalige Goldgräberstadt ein State Park mit dem Ziel, den jetzigen Zustand zu erhalten. Mit dem Eintritt in Höhe von derzeit 8 Dollar unterstützt man die Stadt dabei.


Died last night in my dreams
Walking the streets
Of some old ghost town
I tried to believe
In God and James Dean
But Hollywood sold out

Adam Lambert – “Ghost Town”


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