Verlassen. Einfach so. Mitten im Nichts.
Doch es gibt sie. Details, die von früher berichten.
Man muss die Augen nur öffnen.

Überall in der heutigen Geisterstadt Bodie, die einst so berüchtigt war, gibt es Dinge, die vom früheren florierenden Leben berichten. Mit jedem Schritt entdeckt man verrostete Schrauben, alte Konservendosen oder Überbleibsel von alten Autos. Selbst in den Wohn- und Geschäftsgebäuden sieht es so aus, als wären die Bewohner vom einen auf den anderen Moment geflüchtet.

Hinter den Schaufensterscheiben wirkt es, als seien die Inhaber nur kurz zur Mittagspause gegangen. Ihre Waren stehen wie damals in den Regalen, doch ob überhaupt noch jemand eine der angebotenen Dosen, Packungen und Gegenstände kaufen wird? Unwahrscheinlich. Wenn ich nicht wüsste, dass ich hier im Bodie State Historic Park unterwegs bin – es käme einer Endzeitstimmung gleich. Jedes dieser Gebäude erzählt eine eigene Geschichte, doch sie zu hören und zu verstehen ist fast unmöglich. Nur noch in den Details auf den Straßen und in den Häusern lässt sich das eine oder andere „zwischen den Zeilen“ erkennen.

Kreuzung Main Street / Green Street

Für die Geschichte muss man manchmal genauer hinsehen

Alte Konservendosen

„Zwischen den Zeilen“, das bedeutet auch: niemand mehr wird sich hier an einen Tisch setzen und seine Mahlzeit einnehmen. Niemand mehr wird in den Geschäften Sauerkraut oder Cremes kaufen. Niemand mehr wird im Swayze oder Bodie Hotel übernachten. Niemals mehr werden Kinder zur Schule gehen und dort für den Ernst des Lebens vorbereitet werden. Doch es lässt erkennen, wie es einmal gewesen sein muss. Die einstige Größe der Stadt Bodie lässt sich allerdings nur noch erahnen, wenn man auf dem Hügel steht und den Blick schweifen lässt.

Das, was noch von damals übergelieben ist, rostet und rottet weiter vor sich hin. Die Zeit wurde angehalten, obwohl sie zugleich nicht aufzuhalten ist. Stattdessen zieht der Staub mehr und mehr in die Häuser ein, die schon seit Jahren dem Wind und Wetter trotzen und sich wahrlich gegen alle Einflüsse verteidigen – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Dabei kommt der Geisterstadt Bodie ihre Lage zugute. Hier, auf fast 2.500 Metern Höhe, herrscht trotz der schneereichen Winter eine relativ niedrige Luftfeuchtigkeit, die die Überbleibsel nur wenig angreift.

Hier wird niemand mehr speisen

Das letzte Licht wurde bereits gelöscht

Stehengebliebene Uhr im Fenster

In der Geisterstadt Bodie ist die Zeit stehengeblieben

Hier in Bodie ist der Zug längst abgefahren. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn von der einstigen Eisenbahnlinie ist nach ihrer Demontage 1917 nichts mehr zu sehen. Daher waren die noch verbliebenen Bewohner auf andere Fortbewegungsmittel angewiesen, um aus Bodie herauszukommen. Einige ihrer Fahrzeuge sieht man noch immer auf und neben den Wegen der Stadt, wobei der mit Abstand größte Teil im (heutigen) Originalzustand ist und vor Rost nur so strahlt. Nur an der früheren Tankstelle von Bodie ist eines der wenigen Fahrzeuge zu finden, die restauriert wurden: ein 1927er Dodge Graham. Von wem er zu den besseren Zeiten der Goldgräberstadt wohl gefahren wurde?

1937 Chevy Coupé

1927 Dodge Graham

19xx Ford V8 Truck

Schrottreif

Nicht jedes Fenster ist ein Rückblick in die Vergangenheit. Hinter manchen verbirgt sich einfach nur ein leerer Raum in einem leeren Haus. Doch wenn man wieder eines dieser Zeitfenster gefunden hat, dann ist die Freude umso größer. Ob eingestaubtes Material zur Ersten Hilfe, alte Dosen mit Senf oder die verblichenen Bücher im alten Klassenraum: die Geschichte ist greifbar. Dinge aus vergangenen Zeiten von alten Herstellern, von denen es einige sicherlich auch gar nicht mehr gibt. Vor allem aber ist es ein Zeichen dafür, dass der Mensch auch nur ein Wimpernschlag seiner Geschichte ist.

Die Spurensuche in Bodie ist ein spannender Zeitvertreib. Dennoch darf man eines nicht vergessen: hinter jeder Fassade, hinter jeder offenen und auch verschlossenen Tür steckt ein trauriges Schicksal, eine wahre Geschichte. Einerseits sind es die Händler, die ihre Waren nicht mehr verkaufen konnten und vielleicht mit Verlust ihre Geschäfte aufgegeben haben, auf der anderen Seite sind die Bewohner und Arbeiter der Stadt, die all ihre Habseligkeiten zurückgelassen haben. Aber nicht nur das: einige von ihnen mussten auch ihre Angehörigen auf dem nahegelegenen Friedhof zurücklassen.

Für sie gab es hier keine Zukunft mehr. Sie haben ihr Glück woanders versucht. Wo, das mögen sicher nur sie wissen. Aber eines ist sicher: wie auch immer es ausgegangen ist – ihre Heimat bleibt erhalten, denn dafür sorgen die Ranger des Bodie State Historic Parks.

Das Fenster zur Vergangenheit der Geisterstadt Bodie ist geöffnet.
Es wartet nur darauf, dass man hineinblickt.


On the first part of the journey
I was looking at all the life
There were plants and birds and rocks and things
There was sand and hills and rings

America – „A Horse with no Name“

Pflaster, Verbände, Dosen

Alte Lebensmitteldosen

Bücherregal der alten Schule


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