Die mattdunkle Leinwand, die sich am Abend vorher langsam am Firmament zeigte, verwandelt sich mit Tagesanbruch erneut. Hinter den dunkelschwarzen Silhouetten der Felsen im Monument Valley färbt sie sich erst von schwarz zu blau und schließlich von blau zu gelb. Je älter der Tag wird, desto weiter klettert von tief herab hinterm Horizont die Sonne empor und gibt nach und nach den Blick auf das einmalige Tal frei.
Trotz – oder gerade wegen – der frühen Stunde sind wir schon auf den Beinen. Im Scheinwerferlicht unseres Mietwagens rauscht der dunkle Asphalt unter uns hinweg, bis wir nach wenigen Meilen den Forrest Gump Point erreichen. Es ist die Stelle, an der Forrest Gump im gleichnamigen Film sich dazu entscheidet, mit seinem Ausdauerlauf durch die Vereinigten Staaten von Amerika aufzuhören und den Heimweg anzutreten. Mit dem Sonnenaufgang werden die Gipfel des Monument Valleys von oben herab in ein warmrotes und weiches Licht getaucht, bis schließlich alles im Tageslicht erscheint.
Für uns ist es ein Zeichen des Aufbruchs. Nach nur einer Nacht im Monument Valley werden wir das Tal schon wieder verlassen und uns auf die gut 180 Meilen lange nächste Etappe gen Tusayan in Arizona begeben, unweit des Grand Canyon National Parks.
Angekommen am Grand Canyon
Bereits weit vor dem offiziellen Parkeingang wirft der Grand Canyon seine Schatten voraus. Der Little Colorado River Gorge Overlook, noch vor den Toren des Nationalparks, zeigt uns einen ersten Eindruck von dem, was uns später noch erwarten wird. Unsere Blicke fallen in den engen Canyon, in dem der namengebende Fluss das rotbraune Regenwasser nach einem Regenguss, viele Meilen entfernt, hinein transportiert. Lautlos fließt er am Fuße des Canyons vorbei.
Keine halbe Stunde später liegt der berühmte Teil des Grand Canyons dann tatsächlich zum Greifen nahe. Gemütlichen Fußes laufen wir vom Parkplatz die Desert View Walkways entlang, gespannt auf das, was uns erwarten wird. Hinter den Wegen schimmert der weißhellblaue Horizont hervor, bis wir ganz vorne stehen. Unterdessen erhebt sich rechts von uns der Desert View Watchtower, davor fällt der gelbliche Sandstein anfangs gemächlich, später steil hinab in die Tiefe.
Da liegt er also vor uns, der berühmte Grand Canyon. Von links nach rechts, von rechts nach links, so weit das Blickfeld reicht, überall erstreckt sich irgendein Teil von ihm. Farbige Schichten zeugen von den verschiedenen Phasen seiner Entstehung im Laufe der vergangenen Jahrmillionen. Eindrucksvoll zeigen sie, wie sich der Colorado River tiefer und tiefer durch das Gestein erodiert hat. Bis weit zum Horizont hin schlängelt sich der Canyon durch sein selbst gegrabenes Tal.
Das, was die Natur hier über Jahrmillionen erschaffen hat, ist nur schwer in Bildern festzuhalten. Wieder und wieder stehen wir staunend am Abgrund und überblicken die faszinierende Landschaft. Wir haben keine Ahnung, wie weit die einzelnen Gipfel, Täler und Felsformationen von uns entfernt sind. Alles wirkt so klein, so weit entfernt, und gleichzeitig nah, greifbar und riesig. Und auch wenn es „eigentlich nur Steine sind“, so lösen sie doch eine gewisse Faszination aus bei diesem Anblick. Am Aussichtspunkt verharren wir etwas abseits. Vor uns lehnen sich die anderen Besucher des Parks an die Absperrung, bevor es tief hinab in die Schlucht geht. Auch sie scheinen still, gespannt und ehrfürchtig auf das Panorama vor ihnen zu schauen.
Wenig später neigt sich der Tag bereits seinem Ende zu. Die Schatten werden länger, die Temperaturen kühlen sich leicht ab und läuten die bald hereinbrechende Nacht ein. Über den im Tal liegenden Bergen und Tälern hat sich teilweise schon die Nacht niedergelassen. Spannende Schattenspiele sorgen für wilde Motive im Inneren des Grand Canyons. Vorfreude auf die nächsten Tage steigt in uns auf: das Grand Canyon Village und die Klippen bis hin zu Hermit’s Rest werden uns erwarten.
Yes, and how many years must a mountain exist
Before it is washed to the sea? And how many years can some people exist Before they’re allowed to be free?
Bob Dylan – Blowin‘ In The Wind
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