Als wir am Morgen in Tusayan am Grand Canyon starten, ist das Wetter relativ unfreundlich. Dunkle Wolken hängen am Himmel, der feuchte Asphalt zeugt von einer durchregneten Nacht und alles ist grau in grau. Von der Sonne und dem eigenen Wetter, das sich der Grand Canyon einen Tag zuvor noch selber gemacht hat, ist nichts mehr zu spüren. Unser nächstes anvisiertes Ziel, der kleine Ort Seligman an der Route 66, ist relativ nah, und die Wettervorhersage für die Region liest sich ähnlich. Regen und dichte Bewölkung, damit ist es nach gut zwei Wochen Roadtrip durch die USA das erste Mal, dass wir tatsächlich „schlechtes“ Wetter haben.

Nichtsdestrotrotz: ein Zwischenstopp in der Regenpause an der Grand Canyon Junction und damit in Flintstones Bedrock City ist drin, ebenso ein längerer Halt zur Mittagszeit in Williams. Williams hat uns tatsächlich gut gefallen und wird sicherlich nochmals ein Halt in der Zukunft für uns werden – schließlich ist die Stadt auch der Ausgangspunkt der Grand Canyon Railway.

Seligman, AZ liegt direkt an der legendären Route 66 und hat seine besten Tage sicherlich bereits hinter sich. Als die südlich verlaufende Interstate 40 fertiggestellt wurde, ist die Stadt über Nacht vom Durchgangsverkehr der Strecke zwischen Chicago und Los Angeles abgeschnitten worden. Seitdem hat die Stadt viel Verfall gesehen und ist nur noch ein Überbleibsel der Historie. Das ist vor allem Juan und Angel Delgadillo zu verdanken, die sich in den 1970er Jahren dafür eingesetzt haben, das Flair der historischen Route 66 zu erhalten.

Dieser ganz besondere Charme liegt auch noch heute in der Luft. Bereits auf dem Weg nach Seligman rumpelt die Asphaltdecke unter dem Mietwagen daher, hier und da wurde sie geflickt, doch es scheint größtenteils immer noch der legendäre Asphalt von damals zu sein, der sich hier durch das Land zieht. Für mich war es schon immer ein Traum, auf der Route 66 unterwegs zu sein und insbesondere auch der Stadt Seligman einen Besuch abzustatten.

Gerade diese verfallene Atmosphäre hat es mir angetan. Es fühlt sich an wie eine Zeitreise in vergangene Jahre. Der Ort hat gewiss bessere Zeiten gesehen, trotzdem ist es genau das, was ihn auch zugleich so ansehnlich und interessant macht. 

Die vierspurige Hauptstraße in Seligman wirkt unterdessen fast deplatziert. Minutenlang kommt kein Auto vorbei. Eine gespenstische Ruhe und Atmosphäre, die jäh durch einen Touristenbus unterbrochen wird, der vor dem ehemaligen Friseursalon von Angel Delgadillo hält.

Unterdessen verlassen wir Seligman in westliche Richtung und Folgen der Route 66 gen Kingman. Höhe Peach Springs kehren wir jedoch wieder um, da wir am nächsten Tag den gleichen Streckenabschnitt erneut befahren werden. Links und rechts abseits der Route 66 gibt es auf diesem Abschnitt nur wenig zu sehen. Der Anblick einer alten, verlassenen Tankstelle an den Grand Canyon Caverns ist vorerst die einzige Abwechslung, die sich uns auf dieser Tour bietet. Was zunächst unscheinbar erscheint, ist bei näherer Betrachtung dann doch ein kleines Highlight, zumindest wenn man den Disneyfilm „Cars“ kennt und mag. Und ganz ehrlich – vielleicht war genau dieser Film auch einer der Gründe, weswegen Seligman unbedingt als Ziel unserer Reise geplant sein musste.

Mit den Eindrücken einer annähernden Geisterstadt und viel Verlassenheit lassen wir die Eindrücke des Tages sacken. Morgen werden wir die Reise auf der legendären Route 66 fortsetzen – die ihren Charme dank eines Barbiers aus Seligman behalten konnte.

Life is a highwayI wanna ride it all night longIf you’re goin‘ my wayWell, I wanna drive it all night long

Tom Cochrane – Life Is A Highway