Der letzte Koffer ist verstaut, als die Kofferraumklappe mit einem leisen Rumms ins Schloss fällt. Eine Schlüsselumdrehung später springt der Motor an und wir rollen langsam an den hölzernen Hotelgebäuden vorbei zur nahegelegenen Straße. Nach zwei Nächten im Bryce Canyon Nationalpark in Utah ist der Zeitpunkt gekommen, zum nächsten Abschnitt der Reise aufzubrechen. Rund 150 Meilen und ein Temperaturumschwung trennen uns von unserem Ziel, dem Ort Page in Arizona.
Gut ein Viertel der Strecke kennen wir bereits. Vor wenigen Tagen, auf der Anreise vom Zion Nationalpark zum Bryce Canyon Nationalpark, haben wir diesen Abschnitt schon kennenlernen dürfen. Weite und grüne Wiesen ziehen am Fenster vorbei, unterbrochen von kleinen Städten wie Hatch oder Glendale. Anfangs erheben sich die Gebirgszüge noch fern am Horizont, während kleinere Ausläufer sich stetig dem Highway nähern. Jede Meile auf unserem Weg in Richtung Süden verändert die Landschaft ein bisschen mehr und lässt die Temperaturen ansteigen. Aus den grünen Weiden und Wiesen werden rot-orange und steinige Flächen, bis sich auch diese allmählich in die Höhe erheben und das Bild nun vollends verändert haben. Es sind die nordöstlichen Ausläufer des Coral Pink Sand Dunes State Parks mit ihren Höhlen, die sich direkt am Highway 89 befinden.
Die Klimaanlage kämpft damit, die wärmer und heißer werdende Beinahe-Wüstenluft zu kühlen und es uns im Fahrzeug erträglich zu halten. In Kanab, einem der größeren Orte entlang unserer Route, gönnen wir ihr und uns eine kleine Pause und vertreten uns am Levi Stewart Memorial – direkt am Ortseingang – ein wenig die Beine. Fast können wir Arizona von hier aus bereits sehen, liegt die Staatsgrenze doch nur wenige Meilen südlicher.
Von nun an beginnt ein Abschnitt, der stellvertretend für die große Freiheit auf den amerikanischen Straßen steht. Endloser, grauer Asphalt, ein blauer, mit weißen Tupfen und alles überragender Himmel, dazu der rote Sandboden am Straßenrand mit grünen Tupfen und fernen Bergen: pures Roadtripfeeling. Auf Verkehr treffen wir hier, fernab der großen Metropolen, nicht allzu oft. Kurven gesellen sich ebenfalls nur selten dazu – sie sind sogar so selten, dass sie frühzeitig mit Hinweisschildern angekündigt werden.
Die nahe Landschaft verschwimmt hinter den Seitenscheiben unseres Mietwagen. Dicht am Highway befindliche Büsche und kleine Abzweigungen huschen an unseren Augenwinkeln vorbei, während die weiter entfernten Höhenzüge unseren stetigen Begleiter sind und nur ganz allmählich dichter kommen.
Als wir den Highway 89 unweit des kleinen Ortes Big Water für einen Moment verlassen, zeigt uns das Thermometer im Fahrzeug eine Außentemperatur von 85° Fahrenheit an. Hierzu, umgerechnet rund 32° Celsius, gesellen sich zudem unzählige Sonnenstrahlen, die den trockenen Boden ungleich höher erhitzen. Inmitten dieser Szenerie aus blauen Himmel, weißen Wölkchen und rot-oranger, trockener Erde wirkt es, als seien wir in einer Szene der Serie Breaking Bad gelandet. Hinter trockenen Wüstensträuchern steht, gut angepasst an die nähere Umgebung, ein Wohnmobil, welches an das der kochenden Hauptdarsteller erinnert (zum Bild im instagram-Feed).
Im Unterschied zur Wüste von New Mexiko ist dieser Ort hier allerdings weniger gut zum Kochen geeignet, denn das Big Water Visitor Center liegt nur einen Steinwurf entfernt. Es ist eines von vier Besucherzentren, die es in der Gegend um den Grand Staircase Escalante National Monuments gibt. Im architektonischen Stil eines alten Fossils gibt es in klimatisierter Umgebung Informationen über hier gefundene Spuren und Knochen von Dinosauriern.
Die staubige Schotterpiste, die uns vom Highway 89 zum Besucherzentrum geführt hat, bringt uns jetzt auch wieder zurück auf den richtigen Weg. Schon nach wenigen Meilen liegt nichts als Weite und Strecke vor uns. Es sind Aussichten, die uns auf das einstimmen sollen, was wir in wenigen Tagen sehen werden: das Monument Valley.
Knappe 10 Meilen vor Page legen wir den letzten Halt ein. Die typischen „Welcome to…“ Schilder von Utah und Arizona stehen hier dicht an dicht und zeigen den Wechsel des Bundesstaates an. Zahlreiche Sticker aus allen Teilen der Welt dekorieren die Beine der Schilder, manchmal aber auch das Hauptmotiv selber. Inmitten der beiden Schilder wirkt es wie eine Art Niemandsland. Stehen wir noch in Utah? Sind wir schon in Arizona? Bis auf die großen Grafiken und Schriftzüge finden wir keinen Hinweis darauf, in welchem Bundesstaat wir gerade eigentlich stehen.
Wie dem auch sei: die Landschaft geht fließend von Utah nach Arizona über und lässt keinerlei Grenzen erkennen. Für uns liegt Page zum Greifen nah und signalisiert das Ende dieser Etappe. Wenige Meilen noch und wir haben unser Ziel erreicht.
Ach ja…eins war da noch. „Ziel erreicht“ ist das Stichwort. Sein Ziel erreicht hat auch dieser amerikanische Oldtimer, den wir irgendwo am Rande der Strecke getroffen haben. Fahren wird er voraussichtlich nicht mehr. Welche Historie sich hinter seinem Blech verbirgt, das mag wohl kaum noch jemand wissen. Auch seine Zukunft ist offen. Niemand weiß, wie sie aussehen wird. Wird er wieder den amerikanischen Asphalt unter seinen schwarzen, derzeit platten Rädern spüren? Niemand weiß es. Und so können wir nur darüber philosophieren, ob „On The Road Again“ von Willie Nelson jemals wieder aus seinem Autoradio zu hören sein wird.
And I can’t wait to get on the road again
On the road again Goin‘ places that I’ve never been Seein‘ things that I may never see again And I can’t wait to get on the road again
Willie Nelson – On The Road Again
[…] On the road again: von Utah nach Arizona […]
[…] fühlen wir uns dabei wie in einem Déja-Vu: haben wir das nicht erst vor kurzem gehabt, solche einen Wechsel der Bundesstaaten…? Wie dem auch sei, wir konzentrieren uns jetzt wieder einmal mehr auf das, was vor uns […]