Als Noel uns mit seinem Lyft am Hotel im Financial District absetzt, schlägt uns die warme Luft erneut entgegen. Es riecht nach Stadt und der Straßenverkehr hallt von den umliegenden Hochhäusern zurück. Viele Eindrücke prasseln gleichzeitig auf uns ein und wir realisieren noch gar nicht so wirklich, dass von nun an drei Wochen USA-Urlaub vor uns liegen werden – die ersten sechs Tage verbringen wir davon hier, in San Francisco.

Es ist wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund: obwohl man sich lange nicht gesehen hat, fühlt man sich gleich fast wieder wie daheim. So, als wäre man eigentlich nie fort gewesen und kann direkt dort weitermachen, wo man beim letzten Zusammentreffen aufgehört hat. Dennoch entdecken wir auch neue Seiten auf unseren Spaziergängen durch San Francisco – insbesondere uns zuvor unbekannte Perspektiven.


Filbert Steps

Die Sonne strahlt vom blauen und wolkenlosen Himmel herab. In den schattigen Straßen ist es schon warm, als wir auf dem Weg zu den nahegelegenen Filbert Steps sind. Am Ende einer kleinen Sackgasse, fast schon unscheinbar, schlängelt sich anfangs noch eine Betontreppe die von Pflanzen überwucherte Steinklippe, den Telegraph Hill, hinauf. Nach wenigen Metern jedoch verwandeln sich die Stufen von Beton in Holz und wir sind umgeben von den verschiedensten Arten von Blumen, Pflanzen und Bäumen. Mitten in der Stadt tut sich vor unseren Augen dieses grüne Paradies auf, das umrahmt wird von bunt bemalten Häusern im viktorianischen Baustil. So schön die Filbert Steps auch sind: bei rund 30°C im Windschatten des Telegraph Hills sind die über 500 Stufen ein anstrengendes Unterfangen. Doch wenn man diese hinter sich gebracht hat, dann wartet eine Belohnung: der Coit Tower samt Kiosk für kühle Erfrischungen.

Filbert Steps

Blumen an den Filbert Steps


Coit Tower

Der schweißtreibende, aber definitiv lohnenswerte Aufstieg der Filbert Steps hat ein Ende gefunden. Vor uns thront der 64 Meter hohe Coit Tower auf dem frisch erklommenen Telegraph Hill. Ein paar Dollar später sind wir im Museum am Fuße des Aussichtsturmes, von wo aus der alte, originalgetreue und von Liftpersonal gesteuerte Aufzug uns nach oben bringt. Noch ein paar Treppenstufen und wir haben es geschafft: San Francisco liegt uns zu Füßen. Nur eine Glasscheibe trennt uns von den Blicken auf unseren alten Freund. Lombard Street, Golden Gate Bridge, Embarcadero, Pier 39, aber auch der Financial District mit der Transamerica Pyramide oder die Bay mit Alcatraz in der Mitte und Sausalito auf der gegenüberliegenden Seite – es gibt nichts, was man von hier oben nicht sehen kann.

“If you walk from here [Coit Tower] to Lombard Street, you’ll hate yourself. It goes down and up, and there is nothing to see. You better get a car and drive down the Lombard Street, especially at these temperatures [28°C].” Mit diesen Worte, die wir einem Gespräch auf der Fahrt zurück nach unten entnommen haben, verabschieden wir uns vom Coit Tower. Die Lombard Street haben wir für heute jedoch nicht auf dem Plan. Stattdessen führt uns der Weg durch die Straßen der Stadt herüber zur Pier 39.

Blick vom Coit Tower über San Francisco

Blick vom Coit Tower über San Francisco

Financial District


Pier 39

Zugegeben, die Pier 39 kann man lieben oder hassen. Touristisch, voll, teuer – das typische Klischee von beliebten Orten eben. Nichtsdestotrotz sind wir gerne hier. Wir lassen uns entlang der zahlreichen Geschäfte treiben, lauschen den zahlreichen Stimmen aus allen Teilen der Erde und tauchen ein in das Gefühl, was für uns diese Stadt ausmacht: weltoffen und frei für alles und jeden. Als wir die ersten Meter auf den hölzernen Planken am frühen Abend zurücklegen, duftet es schon von allen Seiten nach Essen. Insbesondere der süßliche Duft von frisch gebackenen Eiswaffeln von Dreyer’s Waffle Cones ist uns in Erinnerung geblieben. Er lockt uns an, obwohl die Preise auch hier deutlich nach oben gegangen sind. Das amerikanische Eis ist mächtig, sodass wir froh sind, dass die Pier noch einiges zu bieten hat, insbesondere auch um sich die Füße noch ein wenig zu vertreten.

Vorbei am historischen Karussell und den Hearts of San Francisco, am Ende der Pier, wird es kühler und windiger. In rund einer halben Stunde wird die Sonne hinter den Marin Headlands, nördlich der Golden Gate Bridge, verschwinden. Gut eine halbe Stunde bleibt uns zum innehalten, während vor uns in der Bucht die Schiffe – von kleinen Fischerbooten bis hin zu Containerriesen auf dem Weg von oder nach Oakland – vor der berühmt-berüchtigten Gefängnisinsel Alcatraz den Wellen trotzen. Die Pier taucht ein in ein warmes Licht, bis die Sonne allmählich hinter den Hügeln verschwunden ist.
So touristisch die Pier 39 mit ihren Geschäften und den berühmten Seelöwen auch ist: sie ist und bleibt ein Klassiker der Stadt.

Pier 39

Wasserseite der Pier 39


Golden Gate Bridge

Ein weiterer Tag neigt sich seinem Ende zu. Am Embarcadero scheint die Sonne vom blauen Himmel herab und wir beschließen, den Sonnenuntergang in den Marin Headlands an der Golden Gate Bridge zu verbringen. Die ohnehin schon in International Orange gestrichene Brücke zusammen mit dem warmen Rot der untergehenden Sonne und Blick auf San Francisco – warum eigentlich nicht? An eine Sache haben wir allerdings nicht gedacht: Karl the Fog. Während über der Stadt selber schönstes Wetter herrscht, ist hier in den Marin Headlands eher Herbstwetter. Wie so oft am Abend zieht Karl auch heute vom Pazifik her hinein in die Bucht und mit ihm die Kälte. Ein eisiger Wind fegt über die Hügelkette und den Weg. Auf der einen Seite treibt er den Nebel und Dunst den Berg hinauf, auf der anderen Seite fällt er wie eine Lawine wieder in das Tal herab.

Vom Sonnenuntergang ist plötzlich nichts mehr zu sehen. Statt der erhofften goldenen Wärme mit unvergesslichen Ausblicken herrscht trotziges Grau und einsame Kälte. Nur ab und zu reißt die Nebeldecke für ein paar Sekunden auf, um doch noch etwas von der Golden Gate Bridge zu zeigen. Es sind vielleicht nicht die besten Blicke auf die Brücke, die wir genießen dürfen. Eines aber hingegen ist sicher: nicht nur die Golden Gate Bridge gehört zu San Francisco dazu, sondern auch Karl the Fog.

Karl und die Golden Gate Bridge bei San Francisco

Karl und die Golden Gate Bridge bei San Francisco

Golden Gate Bridge von Alcatraz aus gesehen


Alcatraz

Wir haben wieder einmal Glück: die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel herab. Mit der historischen Straßenbahn geht es am frühen Morgen in Richtung der Piers, von wo aus die Fähre zur Gefängnisinsel Alcatraz ablegt. An Bord des ersten Schiffes des Tages geht es auf die kurze Überfahrt, die rund 15 Minuten dauert. Im sanften Rhythmus der Wellen schaukeln wir Stück für Stück der Insel entgegen und lassen die Stadt hinter uns. Der Wind weht kühl über das Oberdeck und vertreibt damit auch die zahlreichen Fliegen, für die der gereichte Fächer ansonsten gedacht ist.

Auf dem kleinen Eiland lässt sich die Historie direkt anfassen. Es wirkt, als sei man durch die Zeitgeschichte gereist und wandele nun auf den Spuren eines verurteilten Straftäters. Der Weg führt hinauf zum berüchtigten Zellentrakt, wo für alle Gefängnisinsassen der neue Alltag begann. Beim Durchqueren der Tür wird es kälter und drückend. Die Atmosphäre hat sich gewandelt und vom sonnigen Wetter draußen ist kaum mehr etwas zu spüren. Mittels Audioguide wandeln wir auf dem Pfad eines neu angekommenen Häftlings. Obwohl sich mit uns noch zahlreiche Besucher durch den berühmten Block bewegen, herrscht eine sonderbare Stimmung.

Es scheint, als läge der Geist von Alcatraz in der Luft. Wir wandeln frei umher an einem Ort, an dem berühmte Verbrecher wie Al Capone eingesessen haben. Und nicht nur das: es ist ein Ort, der mit seinen Ausbruchsgeschichten die Fantasie anregt. So nah San Francisco von hier aus auch wirkt, so fern ist es doch entfernt.

Alcatraz Island

Im Zellenblock


If you come to San Francisco
Summertime will be a love-in there

Scott McKenzie – San Francisco (Be Sure to Wear Flowers In Your Hair)